Ein einmaliges 10-Jahresjubiläum.
Bereits viele schöne Skitouren in Länder wie Norwegen, Georgien, Albanien, Montenegro, Kosovo, Italien und Österreich konnte ich meinen amerikanischen Freunden Anne und John seit dem Jahr 2013 näherbringen. Heuer führte uns unsere Reise nach Island. Begleitet wurden die beiden von ihren Freunden Nicole und Jamie. Auch mit im „Gepäck“ sind mittlerweile ihre zwei Kinder zusammen mit ihrer Nanny. Manchmal eine logistische Herausforderung, aber was das Reisen mit Kindern betrifft, haben wir ja genügend Erfahrung.
Eines darf bereits verraten sein. Dieses Jahr durften wir eine ganz besondere Skitourenwoche in der Nähe des Polarkreises erleben.
Dabei war der erste Eindruck alles andere als gut. Der Anflug über die Südostseite der Insel zeigte mir bei traumhaftem Wetter zwar eine unglaublich schöne Landschaft. Viel Schnee war allerdings, mit Ausnahme der riesigen Gletscherplateaus, nicht zu sehen. Aber das könnte sich 5 Autostunden weiter nördlich, in der Region Tröllaskagi ja noch ändern, so zumindest meine Hoffnung. Meine Gruppe sollte erst am nächsten Morgen ankommen und so blieb mir nach einem schnellen Check In im Hotel noch etwas Zeit meine Füße nach dem ca. 4-stündigen Flug zu bewegen. Die Tage waren Mitte April hier am 64. Breitengrad schon recht lang und so konnte ich noch eine tolle Sonnenuntergangs-Trailrunde um das kürzlich erst ausgebrochenen Krýsuvík-Trölladyngja Vulkansystem laufen.
Die Anfahrt zu unseren gemütlichen Blockhütten in Ólafsfjörður ließ bei mir leider, was die Schneesituation betraf, noch keine komplette Entspannung aufkommen. Dennoch konnte ich ein Gebiet auf der Westseite der Halbinsel ausmachen, welches sehr vielversprechend aussah. Gleich am nächsten Tag erlebten wir dort im Bereich der Gipfel Hákambar (847m) und Hraunahausar einen tollen Auftakt in unsere Skitourenwoche in Island. Durch unser geländegängiges Auto etwas verkürzt mussten wir nur kurz die Ski schultern, um die ersten Schneezungen zu erreichen. Auch die Sonne kam zum Vorschein und ließ uns auf Firnverhältnisse hoffen. Nach dreimaligem Auffellen und ebenso vielen Gipfeln später, hatten wir die Bestätigung, 1.600 Höhenmeter in allerfeinstem Firn lagen hinter uns. So konnte es weitergehen! Vorbeugend legten wir auch gleich am ersten Tag sehr viel Augenmerk auf regenerative Maßnahmen in Form von unserem privaten Hot-Tub auf der Veranda der Unterkunft in Kombination mit kühlen, hopfenhaltigen Getränken. So entspannt brauchten wir uns auch keine Sorgen über die CO2-Bilanz des heißen Wassers machen, das sprudelt in diesem Bereich der Insel an vielen Stellen nur so aus der Erde. So verwundert es auch nicht, dass fast jeder kleine Ort hier selbst im Winter ein Freibad betreibt, sehr zur Freude der Kids.
Eine der höchsten Erhebungen ganz im Norden der Halbinsel, der 896m hohe und sehr markante Illviðrishnjúkur, bescherte uns gleich am nächsten Tag einen sagenhaften Ausblick auf die Grönlandsee und den Siglufjord. Auch Skifahrerisch kamen wir heute mit einer nordseitigen Abfahrt durch eine steile Rinne und einem zweiten Aufstieg zu einem Übergang ins bereits geschlossene Skigebiet von Siglufjörður voll auf unsere Kosten. Am Nachmittag blieb mir noch etwas Zeit die Möglichkeiten und Schneeverhältnisse für die nächsten Tage zu erkunden. Nicht alle Berge, dabei auch einige „Klassiker“ in diesem Gebiet, sahen so aus, als ob man ohne lange Tragepassagen überhaupt sinnvolle Skitouren machen könnte. Sehr schnell wurde mir allerdings bewusst, dass die Gegend eine unglaubliche Vielfalt an Tourenmöglichkeiten bietet und wir mit etwas Kreativität in der Tourenplanung sicher eine gute Skitourenwoche haben konnten.
Unsere dritte Skitour starteten wir direkt am Schneerand an der zu dieser Jahreszeit noch nicht durchgängig befahrbaren Passstraße Ólafsfjarðarvegur. Breite, flache Hänge brachten uns auf einen Vorgipfel des 1.004 Meter hohen Rauðhyrna, ehe wir nach einer kurzen Zwischenabfahrt den letzten Anstieg zum Hauptgipfel in Angriff nahmen. Vom Gipfel kurz über den Ostgrat abfahrend fanden wir eine schöne Einfahrt in den weitläufigen Nordhang. Ein sehr schöner Aufstieg, zuletzt über einen sehr fotogenen, leicht überwechteten Grat, führte uns dann auf den 1.100 Meter hohen Halldór. Dort lockte bereits eine anfangs steile Firnabfahrt in perfektem Firn mit schöner Aussicht nach Dalvík und den Eyjafjörður, den längsten Fjord Islands. Am Rückweg zur Nordseite konnten wir noch den Einstakafjall (1.001m) über den recht ausgesetzten Nordostgrat besteigen. Ohne Harsch- bzw. Steigeisen ist das wahrscheinlich auch nur bei solchen Topverhältnissen, wie wir sie vorfanden möglich. Einen kurzen Gegenanstieg und 1.900 Aufstiegs- und Abfahrtshöhenmeter später konnten wir unseren schon obligatorischen Recoverydrink namens „Kókómjólk“ genießen.
Ein „Ruhetag“ ganz nach meinem Geschmack folgte am nächsten Tag. Wenn man mit so leidenschaftlichen Skifahrern unterwegs sein darf, wie mit meinen amerikanischen Freunden, wird schnell einmal aus einem geplanten Ruhetag doch noch eine „kurze“ Tour, bevor man dann den Ausflug zum Mývatn antritt. In der Gegend rund um diesen See lassen sich die geothermalen Besonderheiten Islands erkunden. Dampfende Geysire, blubbernde Schlammpools und eine beeindruckende Farbwelt. Auf dem Weg dorthin konnten wir auch noch mit dem Goðafoss einen der zahlreichen Wasserfälle dieses Landes besuchen. Besonders genossen haben wir dann aber den kulturellen Teil dieses Ausfluges. Wir konnten die isländische Bäderkultur im Thermalbad Jarðböðin við Mývatn im wunderbar warmen und mineralhaltigen Wasser mit einem Infinitypool-ähnlichen Ausblick über den viertgrößten See der Insel erfahren.
Frisch erholt folgte am nächsten Tag bei Paradewetter ein wahrer „Schartenmarathon“. Gleich 4 steile Übergänge mit ebenso steilen Firnabfahrten haben uns gelockt, ehe uns der finale Anstieg auf den Gipfel des Hestskarðshnjúkur, was wahrscheinlich übersetzt „der Unaussprechliche“ heißt, führte. Von dort folgte die wahrscheinlich beste Abfahrt der Woche! Nicht leicht, denn die Konkurrenz war definitiv sehr groß.
Eine richtig gute Skitourenwoche hört, ganz im Sinne der Theatralik, mit einem Highlight auf. In Anbetracht der letzten Tage hatte ich also keine leichte Aufgabe bei der Tourenwahl für den letzten Tag! Bekanntlich macht man sich diesen „Druck“ als Bergführer ja immer selber, aber wenn er wie bei diesen Top Verhältnissen in keinster Weise zu Lasten der Sicherheit meiner Kunden ging, macht das unsere Arbeit auch so spannend. Seit der Anfahrt aus dem Süden ging mir ein Schneebedeckter Vulkangipfel am äußersten Ende einer kleinen Halbinsel, auf 3 Seiten vom Meer umgeben, nicht mehr aus dem Kopf. Der Snaefellsjökull!
Da der Wetterbericht für unseren vorletzten Skitourentag nicht so gut aussah, er aber für den letzten Tag wahres Traumwetter versprach, packten wir kurzerhand unsere sieben (oder auch etwas mehr) Sachen, buchten spontan eine Unterkunft und fuhren ein gutes Stück Richtung Reykjavik auf die Snaefells-Halbinsel.
Wer mich kennt, weiß dass ein später Start am Berg so gar nicht meine Sache ist. So verließen wir unsere Unterkunft schon bei Sonnenaufgang und fuhren mit unserem 4x4 so weit wie (zumindest für uns) möglich an den Berg heran. Schon von weitem sahen wir die kleinen von Anraum bedeckten Gipfel-Nadeln. Doch sie wollten trotz flottem Aufstieg im herrlich flachen Sonnenlicht einfach nicht näherkommen. So klein dürften sie also doch nicht sein. Als wir näher kamen sahen wir 3 kleine schwarze Punkte neben den Gipfel-Nadeln, eine halbe Stunde später sahen wir dann, was die kleinen Punkte darstellten. Es standen drei Geländewagen mit großen Reifen, sogenannte Arctic Trucks, in der Nähe des Gipfels. Viel habe ich in den Bergen schon erlebt, aber das war etwas Neues.
Bis auf die 3 Fahrzeuge und ihre Fahrer konnten wir aber die Ruhe genießen und zwei der Gipfel über den hart gefrorenen Anraum in fantastischer Kletterei besteigen. Noch ein Paar Bilder, dann war es aber auch vorbei mit der Ruhe. Bei der Firnabfahrt kamen uns für isländische Verhältnisse wahre Menschenmassen entgegen. Das hat uns jedoch nicht mehr sonderlich stören können, nachdem wir die ganze Woche davor keine anderen Skitourengeher getroffen hatten.
Nach einem feinen Abendessen in Reykjavik traten wir am nächsten Tag, etwas wehmütig die Heimreise an.
Aber irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass mich dieses beeindruckende Land nicht das letzte Mal gesehen hat.