Nachdem der wunderschöne Herbst unsere Lust aufs Klettern richtiggehend geschürt hat, entschlossen wir uns die Klettersaison noch etwas zu verlängern und verbrachten unsere Weihnachtsfeiertage in der jordanischen Wüste.
Wadi Rum…hier haben Wind und Wetter eindrucksvolle Felstürme geschaffen, die von T. E. Lawrence so treffend als „weitläufig, einsam und gottähnlich“ beschrieben wurden.
Ein Labyrinth aus monolithischen Felsformationen erhebt sich bis zu 800 Meter aus dem Wüstenboden. Die steilen Sandsteinfelsen laden mit ihren Rissen, Platten und skurrilen Formationen förmlich zum Klettern ein. Bohrhakentouren sucht man hier aber vergeblich, in Wadi Rum ist „Trad Climbing“ angesagt. Bei der für mich schönsten und reinsten Art zu klettern wird alles mit mobilen Sicherungsmitteln abgesichert. Man verlässt die Wand, wie man sie vorgefunden hat.
Neben der Kletterei in Wadi Rum gibt es in Jordanien natürlich auch noch sehr viele kulturelle und landschaftliche Leckerbissen, wie die Felsenstadt Petra, das Tote und das Rote Meer sowie viele biblische Stätten. Petra und das Tote Meer waren auch für uns zwei fixe Ziele, die wir unbedingt besuchen wollten. Nach den ersten Klettertouren waren wir uns aber einig unser Badeprogramm am Roten Meer für einen zusätzlichen Klettertag zu opfern.
Von der Landschaft und den Felsformationen absolut beeindruckt, wollten wir den Sandstein rasch unter unseren Fingern spüren. Bereits am zweiten Tag in Jordanien waren wir in der Route „Black Magic“ (6-, 12SL, 300mH) an der so genannten schwarzen Wand und freundeten uns mit dem für uns doch sehr ungewohnten Sandsteinfelsen an. Nachdem unsere Eingehtour Lust auf mehr machte, entschlossen wir uns die umliegende Wüste aus unterschiedlichen Richtungen anzusehen. So charterten wir einen Allrad-Jeep mit Fahrer, der uns vier Tage lang zu den unterschiedlichen Bergen brachte.
Die erste richtige Wüstentour führte uns zum Jebel Burdah und der Burdah Bridge, einer Felsbrücke am Grat des Berges. In der Route „Orange Sunshine“ (5, 300mH) erwartete uns hier ein absolut geniales Panorama, bei strahlendem Sonnenschein, geschätzten 15° C Temperatur und ohne Wind, kletterten wir komplett ungestört und idyllisch dem Himmel entgegen. Über leichtes Plattengelände kamen wir rasch höher. Ein Blick in die Wüste ließ die Weite der Fläche erahnen. Ganz fern waren zwei Kamele mit Beduinen bei einem Brunnen zu entdecken, sonst Stille. Am Ende der Klettertour angekommen, wollten wir noch den Gipfel erkunden und stiegen über leichtes Blockgelände weiter nach oben. Die 360°Aussicht ermöglichte es einen Überblick über die verschiedenen Berge zu erhalten. Und eins war klar: so schnell würden uns die Kletterfelsen hier nicht ausgehen.
Beim Abstieg wählten wir den Nordgrat, eine Beduinenroute mit leichten Klettereinheiten und zwei Abseilstellen. Steinmänner wiesen uns den richtigen Weg. Im oberen Drittel stießen wir dann auf die bekannte Burdah Rockbridge, bzw. mussten wir diese auch überqueren. Auf einer Felsbrücke stehend, wo es auf fast allen Seiten weit nach unten geht, ließ das Adrenalin gleich wieder in die Höhe schießen. Knapp zwei Stunden später erwartete uns Yahia, unser Beduinenfahrer, am Wandfuß mit heißem Tee und einem Lagerfeuer.
Die Beduinen bewohnen die Wüste in Wadi Rum und in den umliegenden Gebieten schon seit Jahrhunderten und kennen sie wie ihre Jackentasche. Sie leben in Zelten, haben hauptsächlich Ziegen und Kamele und seit einigen Jahren auch Jeeps, um schneller voran zu kommen.
Am nächsten Tag sollte ein weit abgelegener Berg nahe der Saudi Arabischen Grenze unser Ziel sein, der Jebel Suweibit Gharbia. Dem fragenden Blick unseres Fahrers entnahmen wir, dass er diesen Berg selber noch nicht kannte. Aber er versicherte uns, über einen Bekannten die genaue Lage herauszufinden.Um 7:00 in der Früh wurden wir wieder im Camp abgeholt, diesmal hatte Yahia noch seinen Cousin Mohammed mitgebracht. Gemeinsam waren sie sich zu 90% sicher, den Berg zu finden. Damit waren wir schon zufrieden, denn schließlich hatten wir ja auch noch eine Karte. Als wir dann schon auf den ersten Versuch den Berg und auch gleich unsere gewünschte Tour auf Anhieb fanden, gestanden uns Yahia und Mohammed am Vorabend den Berg bereits über Google-Earth gesucht zu haben. Man sollte niemals einen Beduinen unterschätzen!
Die Klettertour „The Haj“ (6-, 9SL, 280mH), übersetzt die Reise nach Mekka, war die wohl abgelegenste, die wir je geklettert sind. Kein Mensch und kein Auto den ganzen Tag in Sicht, absolute Stille umgab uns, in der Ferne war ein Sandsturm zu erkennen, sonst nichts. Ein geniales Risssystem führte uns durch eine steile ca. 200m hohe Wand auf einen Vorbau, von hier ging es genussvoll in etwas flacherem Gelände zum Gipfel.
Neben den Klettertouren sind die so genannten Beduinenrouten genussvolle und meist die leichtesten Anstiege zu den zahlreichen Gipfeln. Hier bewegt man sich zwischen dem 1. und 3. Schwierigkeitsgrad, also leichte Kraxlerei mit hohem Spaßfaktor. Eine solche Beduinenroute wollten wir gerne erkunden und beschlossen die Überschreitung des Jebel Rum Hauptgipfels, mit 1.754m einem der höchsten Gipfel von Wadi Rum, in Angriff zu nehmen, ein tagesfüllendes Unternehmen. Hier stehen nicht die Schwierigkeit der Kletterei, sondern die zerklüftete, wildromantische Gegend und die dadurch anspruchsvolle Wegfindung im Vordergrund. Ein abenteuerliches Erlebnis, das sich durch eine Biwaknacht mit Lagerfeuer auf einem der vielen Gipfelplateaus noch steigern lässt.
Am nächsten Morgen ging es dann wieder in schwierigeres Gelände. Wir besuchten die Route „Merlin’s Wand“ (7-, 6SL, 150mH) im Barrah Canyon, ein pfeilgerader, von unten nach ganz oben durchgehender Riss. Unsere zwei Begleiter Yahia und Mohammed waren in der Zwischenzeit ganz kletterfanatisch geworden und beobachteten jeden unserer Züge. Doch selber probieren, das wollte dann doch keiner: „If you would pay me 100.000 dinar, I would not climb up there…“.
Für den letzten Klettertag haben wir uns ein langes, sehr anspruchsvolles Unternehmen vorgenommen, die Route „The Pillar of Wisdom“ (6+, 12SL, 350mH), ein absoluter Klassiker, aber nicht zu unterschätzen. Viele auch gute Seilschaften, mussten bereits beim Abstieg biwakieren, was auch aus der Beschreibung der Route hervorgeht:
„The Pillar of Wisdom" A must, one of the Great Classics of Rum! The first thing to know about this route is the decent: go and do Hammad's Route (60) unless you like to sleep outside without most of your camping gear. Take torches and escape blankets... The second thing is not to underestimate the approach: it can take more than 2 hours to reach the top of the platform from the rest house unless you know the way. Most people rope up on the "scrambling" sections of the approach...“
Nach dem hervorragenden Wetter der vergangenen Tage war es an diesem Tag bereits in der Früh bewölkt, einige Seillängen vor dem Ausstieg begann es dann auch leicht zu regnen. Wir „sprinteten“ daher förmlich den Rest der Route hinauf, da uns auf den letzten Metern noch die Schlüsselstelle, eine plattige 7er Stelle, erwartete. Mit den durch den Regen sandigen Kletterpatschen erreichte Tom, wie auf rohen Eiern kletternd, den Pfeilergipfel und mit dem Seil von oben perfekt gesichert schaffte auch Dani die letzten Meter. Kurz vor dem Dunkelwerden konnten wir auch den anspruchsvollen Abstieg meistern und belohnten uns mit Fladenbrot, Hummus, einem Aufstrich aus Kichererbsen, Falafel, gebackene Gemüsebällchen, und süßem Tee.
Nun hatten wir uns eine Pause verdient und verbrachten unsere letzten zwei Tage in Jordanien mit „Extrem-Sightseeing“. Ali Hassan zeigte und erklärte uns sein Land und ihre Bräuche. Die Sehenswürdigkeit von Jordanien, und eines der neuen Weltwunder, die Felsenstadt Petra stand als erstes auf unserem Plan. Vom verschlafenen einsamen Wadi Rum, landeten wir nun inmitten einer großen Touristenmenge, täglich mind. 3.000 Besucher werden in Petra gezählt. Die Ausgrabungen sind mehr als 2.000 Jahre alt und stammen teils von den Napateern und teils von den Römern. Aus dem Sandstein wurden riesige Eintrittsportale für königliche Gräber gehauen, die bis heute nichts an Eleganz verloren haben. Der Eingang in die Felsenstadt führt durch eine ganz enge, hohe Schlucht, mit einer Gehzeit von knapp einer Stunde pro Richtung. Daher boomt hier das Transportwesen für Touristen und hinter jedem Eck wartet ein Kamel, ein Esel, ein Pferd oder eine Kutsche, die dich gerne zu deinem Ziel bringen möchten. Die Bauten und Gräber, Säulen und Stiegen sind in ihrer Größe und dem kulturellen Wert sehr beeindruckend. „The treasury“, übersetzt „der Schatz“ ist die größte Grabstätte und befindet sich direkt nach dem engsten Teil der Schlucht. Auch ein Kloster, ein Museum, ein Löwenbrunnen und vieles mehr warten in Petra darauf entdeckt zu werden.
Unser nächstes Ziel war Ammann, die Hauptstadt von Jordanien. Hier lernten wir das moderne und das alte Ammann kennen, mit Überresten von Theatern und Tempeln aus der Römer Zeit. Die 3,5 Millionen Stadt ist auf 22 Hügeln erbaut, stetig beim Wachsen und in einer raschen Entwicklung. Wir besuchten eines der ältesten Restaurants der Stadt, wo bereits der König mit seiner Familie gespeist hatte und aßen dort zu dritt um ca. € 5,- ein traditionelles Abendmahl. Danach gab es in einem Lokal für Süßspeisen noch eine Spezialität, für dich die Menschen vor dem Lokal Schlange standen, gebackener Ziegenkäse mit Honig und Pistazien.
Ein Highlight unserer Jordanienreise kam nun auch noch an unserem letzten Tag, ein Bad im Toten Meer. Dem Toten Meer eilt der Ruf voraus, dass man in dem Meer nicht schwimmt, sondern drinnen liegen kann und ein Buch liest. Dieses Gefühl wollten wir selber ausprobieren. Auf dem Weg dorthin kamen wir am Mount Nebo vorbei, dem Berg, wo Moses das gelobte Land sah und daraufhin dort verstarb. Von Mount Nebo aus konnten wir das Tote Meer bereits sehen und auch die gegenüberliegende Küste mit Jerusalem und Bethlehem, beides nur ca. 50 km Luftlinie entfernt. Wir fuhren nun ca. 1.200 Höhenmeter nach unten, bis zum tiefsten Punkt der Erde. Das Tote Meer liegt nämlich 408 Höhenmeter unter dem Meeresspiegel. Dies und der sehr hohe Salzgehalt mit ca.34% machen das Tote Meer zu einem besonderen Highlight. Nun konnten wir es schon fast nicht mehr erwarten und starteten in die Fluten. Besser gesagt: setzten wir uns gemütlich rückwärts ins Wasser, schwebten dort drinnen, mit den Beinen nach oben schauend, wie in einem Liegestuhl. Ein unglaubliches Gefühl, fast schwerelos, ohne Anstrengung, ohne Gefahr unterzugehen. So paddelten wir gemütlich im ca. 20°C warmen Wasser und ließen uns von den Wellen hin und her treiben, bis es Zeit war aufzubrechen und unsere Heimreise anzutreten.